Über gute Schüler*innen, spannende Steine und Sucht mit Haken –
Norwegen hat uns mit einer unglaublich abwechslungsreichen Natur, mit bedrohlichen Steinformationen, tiefen Schluchten, kargen Hochebenen, idyllischen Seen, reissenden Bächen, rauhem Meer, einsamen Orten, spannender Vegetation, kleinen Strassen und vielen Inseln einfach begeistert. Gerade die Vielfalt an geologischen Besonderheiten ist faszinierend und macht die unglaublichen Kräfte der Erdgeschichte sicht- und spürbar. Für unsere Art zu Reisen bietet dieses Land zusätzlich die perfekten Bedingungen.
Durch das in Norwegen geltende Jedermannsrecht darf man fast überall Campieren. Dies ermöglicht das Übernachten an traumhaften und einsamen Orten. Genau dieses Naturerlebnis ist es, was wir ganz bewusst suchen. Manchmal auch sehr sehr lange suchen.
Ein weiterer Pluspunkt von Norwegen ist die Mitternachtssonne. Soll heissen, die Sonne geht nördlich vom Polarkreis nicht mehr unter. Oft sind wir nach dem Abendessen noch auf eine 4-stündige Wanderung. Dies um zum Tageswechsel auf irgendeinem Berg Sonnenauf- und untergang zur gleichen Zeit zu beobachten. Lange schlafen und trotzdem lange Tage. Herrlich!
Nur falls man nachts mal raus muss ist es schon komisch, wenn einem um halb drei die Sonne den Weg zum Klo beleuchtet.
Das vorherrschende Element in Norwegen ist aber definitiv das Wasser. 160'000 Seen, 1000 Fjorde und über 800 nennenswerte Flüsse. Kaum ein Ort an dem nicht irgendwo ein Gewässer zu sehen ist. Und ist das Wasser mal nicht sichtbar, liegt es versteckt unter einer dicken Moosschicht. Wir hatten sehr oft nasse Füsse.
Nebst der Tatsache das die vielen Gewässer einfach schön sind, gibt es noch einen anderen grossen Vorteil. Man kann Angeln. Dadurch hat der eine Teil unserer Reisegruppe ein neues Hobby gefunden und der andere Teil musste sehr viel Fisch essen.
Unsere Ernährung unterschied sich wärend dieser Reise nicht gross von der eines Seehundes.
Was beim Reisen durch Norwegen auch auffällt ist, wie gut es diesem Land geht. Jeder Parkplatz hat ein sauberes Klo, jeder Tunnel ist mit 5G-Handyempfang ausgestattet, die Strassen sind immer perfekt und die Fähren fast gratis. Teure Elektroautos, adrett gekleidete Menschen, moderne Architektur und eine ausgeprägte Freizeitkultur sind weitere Merkmale des Wohlstandes. Seit Norwegen 1969 auf Öl gestossen ist, fliessen die Einnahmen aus der Ölförderung in einen Staatsfond. Dies damit auch nachfolgende Generationen von diesem Ölgeld profitieren. Dieser Fond ist momentan mit etwa 1,2 Billionen Euro gefüllt und hat im Jahr 2023 einen Gewinn von 190 Milliarden Euro eingebracht. Dem norwegischen Staat stehen also unglaubliche Summen zur Verfügung, welche für gesellschaftliche Zwecke eingesetzt werden können. Dadurch sind die Sozialleistungen die besten der Welt, der Lebensstandard äusserst angenehm und die gesetzlichen Arbeitszeiten kurz.
Auch sieht sich Norwegen selbst gerne als das Land mit der nachhaltigsten Ideologie der Welt. Es gibt z.B. den höchsten pro Kopf Elektroautoanteil der Welt an und 99% der benötigten Energie wird aus Wasserkraft gewonnen.
Alles was ungesund ist wird von der Regierung stark reguliert. Supermärkte dürfen zum Beispiel keinen Tabak sichtbar in die Auslage stellen. Beim Kauf muss man an der Kasse nach Tabak fragen, worauf die Verkäuferin nach einem kurzen Seitenblick dir möglichst unaufällig den Tabak in die Hand gibt. In anderen Länder wäre, so glaube ich, jeder Kauf von harten Drogen ein entspannteres Kauferlebnis.
Auch Alkohol wird nur in staatlich konrollierten Läden verkauft. Bei dieser staatlichen Bevormundung wäre ich nicht überrascht gewesen wenn, vor dem Start zu einer Wanderung, ein Staatsmitarbeiter aufgetaucht wäre der uns gefragt hätte ob wir eine Jacke und genügen zu trinken eingepackt haben.
Die Taktik der Regierung scheint aufzugehen. Die Menschen in Norwegen sind sehr sportlich und gesund unterwegs.
Irgendwie macht dieses Land sehr vieles richtig und gut. Irgendwie perfekt, irgendwie streberhaft!
Oder sagen wir es mal so. Wenn Europa eine Schulklasse wäre, dann wäre Norwegen die zuvorderst sitzende Spitzenschülerin. Die Schülerin die alles weiss, alles am besten kann und keine Fehler macht.
Die Schülerin die mit ihrem perfekten Verhalten, ach so nachhaltiger Einstellung und gesundem Lebensstil einem immer wieder das eigene Fehlverhalten aufzeigt.
Und genau darum manchmal einfach nervt!
Da diese Schülerin aber zu allen nett ist und einfach sooo verdammt gut aussieht, hat man weder emotional noch hormonell eine genügend grosse Resilienz, um nicht mit ihr ins Bett zu wollen. Soll heissen, man verzeit es Land und Leuten sehr schnell.
Und wie es so ist, gerade beim Perfekten beginnt man schell nach Fehlern zu suchen.
Norwegen muss sich auf geopolitischer Ebene immer wieder den Vorwurf der Doppelmoral gefallen lassen. So sind z.B. die vielen Elektroautos so stark vom Staat subventioniert, dass es für die norwegische Bevölkerung schlicht lukrativer ist, sich ein Elektroauto anzuschaffen. Finanziert sind diese Subventionen aber durch den Verkauf von Erdöl an andere Länder. Also stellt sich hier die Frage wie weit ein ölförderndes Land überhaupt nachhaltig sein kann.
Um aber nochmals auf die Schulklasse zurückzukommen, für uns lohnt es sich definitiv sich auf dieses Land einzulassen. Sei es für einen kurzen One-Week-Stand oder für ein längeres Abenteuer. Norwegen ist einfach wunderschön und eine Reise wert.
Im Gegensatz zu Norwegen haben wir uns für Schweden nicht so viel Zeit gelassen. Schweden bot aber für unsere Art zu Reisen einfach ganz viel Einsamkeit und Platz um die Natur zu geniessen.
Wir waren aber viel zu kurz in Schweden unterwegs, um einen Bericht zu verfassen der diesem Land gerecht werden würden
Trotzdem ein kleiner Fun Fact zu Schweden:
In Schweden sind wir immer mal wieder auf sehr langsam fahrende Verkersteilnehmer gestossen. Gestossen ist hier das passenden Wort, denn wenn du auf einer Autobahn mit 100 kmh auf ein Auto mit 30 kmh triffst, ist man von einem Zusammenstoss nicht mehr weit weg. Vor allem dann wenn du selbst ein Auto fährst, welches einen Bremsweg wie ein Kreuzfahrtschiff hat. In Schweden ist es 15-jährigen erlaubt Auto zu fahren. Dies aber nur wenn sie zu zweit im Auto sitzen, nicht über dreissig fahren, das Kennzeichen abmontieren und ein grosses Warndreieck ans Fahrzeug anbringen. Was nicht geregelt wird ist die Art des Fahrzeuges. So sieht man von getunten deutschen Luxuslimousinen über riesen Pickups bis hin zu wohnwagenziehenden Klappervolvos alles.
Was uns sonst noch aufgefallen ist:
Unser Bus tropft bei Starkregen von vorne links ab einer Fahrgeschwindigkeit von 85 km/h
Rentiere sehen aus wie kleinwüchsige, bekiffte Hirsche
Schuhe merken nicht von selbst, dass sie nach einer Rast wieder selbständig ins Auto zurück steigen sollen
Schafe mögen Eintopf, iPhones hingegen kein Salzwasser
Es gibt eine direkte Kausalität zwischen Mückenaufkommen und Schlafqualität
Jessi wird nur dann von Mücken gestochen wenn an meinem Körper der Dichtestress für die nervigen Bestien einfach zu gross wird
Das beliebteste Kleidungsstück der Norweger ist die zweifarbige Wanderhosen
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In jedem Land, das wir bereisen, fragen wir eine einheimische Person nach einem Sprichwort oder einer Weisheit, die bei ihnen allgemein bekannt ist und für dieses Land typisch ist. Norwegen macht den Anfang:
„Vi har alle samme utsikt. Men foskjellig horisont.“
Bedeutung: Wir haben alle die gleiche Aussicht, aber unterschiedliche Horizonte.
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